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Channel: Diskussionsforen des Forums Schuldnerberatung
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Ich sage Hallo mit einem Erfahrungsbericht als Einstand

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Guten Morgen liebe FSBler!

Ich lese schon seit einigen Jahren hier mit und habe mich nun dazu entschlossen, mich hier anzumelden um auch einmal etwas zu schreiben. Allerdings bin ich kein Fachmann, sondern ein Mensch mit einem Werdegang der auch von finanziellen Problemen geprägt ist. Darum möchte ich einfach mal als Einstieg die Hosen runterlassen und meine Geschichte in Kurzform hier niederschreiben. Ich denke, dass sie dem redlichen Schuldner (beim dem noch nicht ganz das Chaos ausgebrochen ist) durch Mut machen kann. Aber vielleicht auch denen, wo es chaotisch ist…

Als ich Anfang 20 (Mitte der 90er) war legte ich die ersten Grundsteine für ein Leben, welches fortan von finanziellen Problemen begleitet wurde. Die erste eigene Wohnung war bezogen und ich musste alles auf einmal haben, natürlich neu und vom Besten. Bares war logischer Weise nicht ausreichend vorhanden, aber die Banken, Einkaufstempel und Versandhäuser meinten es „gut“ mit mir und ich konnte alles haben wonach es mir lechzte. Zwar konnte ich die ersten Jahre alles stemmen, denn ich befand ich immer in Arbeit. War aber etwas abbezahlt, nahte schon der nächste Finanzkauf. Der Dispo meines Girokontos war sehr schnell und dauerhaft im Minus, denn auch bei der Lebensführung guckte ich nicht auf den Pfennig. Diese Lebensweise setzte sich bis 2008 so fort, bis ich meine spätere Ehefrau kennenlernte. Wir zogen zusammen, hatte bei zusammen sehr gute Einkünfte und dank einer Abfindung (betriebsbedingte Kündigung und nahtlose Übernahme bei einem neuen Arbeitgeber) Konto ich mich finanzielle nahezu vollständig sanieren. Wir wohnten nun in einer schönen Wohnung und begannen uns, unser Reich so richtig schön gemütlich einzurichten. Das kostete natürlich viel Geld, aber wir ein gutes Haushaltseinkommen hatten war das ja alles überhaupt kein Problem und die Bank(en) ermöglichten uns ein schnelles Hineingleiten in die Konsumwelt. Eine Küche nach Maß – überhaupt kein Ding. Bald folgten Einrichtungen für Wohn-, Schlaf- und Arbeitszimmer. Wir gingen oft aus, waren in den Konsumtempeln quasi Stammgast und wenn wir zu Hause waren, waren wir umgeben von einer schicken Einrichtung inklusive achso toller Technik – Flachbildschirm, iPhone und und und…

2010 heirateten wir und gönnten uns eine schöne Reise und als wir heimkehrten, war ein Autohaus unser Ziel. Es musste ja ein neuer Mittelklassewagen sein! Die nächsten 2 Jahre lebten wir in einer heilen Welt, in der wir uns etwas gönnten und auch finanzieren konnten, sprich die Ratenzahlungen kein Problem darstellten. 2012 jedoch begann bei mir eine lange Krankschreibung und zudem fing es an, in unserer Ehe zu kriseln. Ein Jahr später, ich war noch immer krankgeschrieben, folgte die Trennung und ich mietete mir eine Wohnung. Diese richtete ich mir, wie soll es anders sein, mittels Ratenkredite ein. Zwar bekam ich nur noch ein geringes Krankengeld, aber die Hausbanken waren gnädig mit mir und ich so blauäugig zu denken, dass ich bald wieder gesund bin und Geld verdienen werde.

Tja, nun war es aber so, dass ich dauerhaft untauglich war für meine Arbeit und ich meine Stelle kündigte um mir etwas Neues zu suchen. Da ich diese Kündigung von den Ärzten abgesegnet bekam, blieb mir eine Sperre beim Amt erspart und ich lebte 5 Monate von ALGI mit Aufstockung. Das hatte zur Folge, dass ich meinen Ratenzahlung nicht mehr nachkommen konnte und mich mit den Gläubigern auf eine kleine Senkung der Raten einigen konnte. Das reichte aber nicht, ich hatte noch immer mehr Ausgaben als Einnahmen. Dann ereilte mich ein vermeintliches Glück, denn ich fand eine Anstellung bei einem neuen Arbeitgeber. Grund zur vollendeten Freude war das nicht, denn ich hatte eine 6monatige Probezeit und 2 Fristverlängerungen vor mir, welche es mir verwehrten den Gläubigern garantieren zu können, sie in den nächsten Jahren bedienen zu können. Hätte ich eine Rate nicht bezahlen können, hätte dies wahrscheinlich die Lawine ins Rollen gebracht, denn ich hatte zuvor schon Zahlungserinnerungen und Mahnungen erhalten. Aus dem Dispo hätte ich dies nicht kompensieren können, da er vollends ausgeschöpft war.
Von nun an lebte ich in regelrechter Angst und hatte kaum noch Ruhe, denn die Ungewissheit plagte mich enorm. Ich malte mir aus wie es ist, wenn irgendwann der GV zu mir kommt und mir alles wegnimmt, eine eventuelle Lohnpfändung mir den Arbeitsplatz kostet. Es war der Punkt erreicht wo ich merkte, dass ich es alleine nicht schaffe mit diesen Sorgen zu leben, die Angst vor der Zukunft… dem absoluten finanziellen Ruin. 2013 entdeckte ich dann dieses Forum und stellte fest, dass es hier Beiträge gab die mir Angst machten, aber auch (und vor Allem) Mut und Optimismus schenkten. Im August 2013 (gleicher Monat der Arbeitsaufnahme) wandte ich mich an eine ortsansässige Schuldnerbratungsstelle, welche von der Stadt finanziert wird. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt ca.8500,-€ bei 5 Gläubigern und mir war es peinlich, wegen einer solchen Summe Hilfe zu suchen. Mein Gott, andere habe 4 und 5stellige Beträge mit denen sie in der Kreide stehen, da lacht mich doch der Schuldnerberater aus. Das tat er natürlich, denn er erkannte die Gefahr was passiert, wenn ich meine Arbeit verlieren würde.
Ich stellte nun sämtliche Gläubigerbefriedigungen ein und es folgten mehrere Termine bei der Schuldnerberatung, ehe ich Mitte Januar 2014 den Insolvenzantrag beim Amtsgericht abgab. Im Februar 2014 wurde das Verfahren eröffnet und ich bekam meinen Insolvenzverwalter genannt. Ich bildete mir ein das es einen guten Eindruck macht, wenn ich ihn als kontaktiere. Gesagt getan! Aschenbecher und Zigaretten bereitgestellt, Kaffee eingegossen und mit einem Bolzen in der Hose zum Telefon gegriffen um den IV anzurufen. Er war am Telefon sehr freundlich und gab mir zu verstehen, dass er erfreut ist das ich mich bei ihm melde. Ich war mir unsicher ob es ehrlich oder ironisch gemeint war, denn schließlich hatte ich die gruseligsten Stories im Internet über IVer gelesen.

Einige Tage später ging ich (frisch rasiert und mit schei*** Angst) zu ihm in die Kanzlei. Was soll ich sagen, es war ein relativ entspanntes Gespräch und er erklärte mir alles und beantwortete meine Fragen sehr eingehend. Er wollte nicht bei mir zu Hause vorbeikommen und nach Verwertbarem schauen, fragte lediglich nach eventuell vorhandenen Werten. Wahrheitsgemäß gab ich alle Antworten und er winkte nur ab, beließ mir also meine bescheidene Habe. Bei diesem Gespräch sagte ich dem IV auch, dass ich Angst habe wegen einer Lohnpfändung meinen Job zu verlieren, da ich noch in der Probezeit war. Er gab mir daraufhin die Pfändungstabellen und sagte, dass ich jeden Monat den abzuführenden Teil meines Einkommens überweisen und monatlich der Lohnbescheinigungen per Mail übermitteln soll. Ich sagte ihm sinngemäß, dass er sich auf mich verlassen kann. Daraufhin winkte er ab und sagte, dass er solche Aussagen oft hört und die Schuldner dann krumme Dinger machen und er, sofern ich gegen die Abmachung verstoßen sollte, er dann sofort pfänden würde. Das war’s und wir verabschiedeten uns.
Zwei Tage nach diesem Gespräch war dann mein Guthabenkonto gesperrt und Panik brach bei mir aus. Naja, völlig unnötig meine Aufregung teilte mir der IV nach einem kurzen Telefonat mit und am nächsten Tag hatte ich die Kontofreigabe im Briefkasten, die ich dann gleich zur Bank brachte.
Ca. eine Woche nach dem Gespräch erhielt ich Post von meinem Mobilfunkanbieter (jahrelanger Kunde, niemals Zahlungsverzug) in der er mit mitteilte von der Inso-Eröffnung Kenntnis erhalten zu haben und nun meinen Vertrag per sofort kündigt. Erneut Panik – und seither eine Prepaidkarte. Das war allerdings auch die einzige negative Folge der Inso-Eröffnung.

Kurz bevor meine Probezeit ablief ließ ich dann meinem Chef gegenüber die Hose runter und offenbarte ihm, dass ich im Insolvenzverfahren bin. Er lächelte und sagte mir, dass ich bei Gott nicht der Einzige mit finanziellen Problemen bin und solange ich meine Arbeit mache, ich mir keine Sorgen machen soll. Er hat Wort gehalten, nach 2 Befristungen habe ich seit August dieses Jahres einen unbefristeten Arbeitsvertrag.
Seit dem Gespräch mit dem IV habe ich lückenlos die Vereinbarung mit ihm eingehalten und immer alles hingeschickt, auch Strom- und BK-Abrechnungen. In den 2 Jahren bestand einige wenige Male telefonischer Kontakt, zwecks Nachfragen meinerseits die er mir ausführlich beantwortet hat.

Durch meine Arbeit ist es mir gelungen in den beiden Jahren alle Kosten für Gerichtsverfahren und Treuhändervergütung zu begleichen. Des Weiteren sind nur noch ca. 250,-€ an Gläubigerforderung offen, welche ich mit dem Lohn im November begleichen kann. Und nach einer Mail vom IV werde ich folgenden Rat befolgen: „Sodann können Sie beim Amtsgericht Antrag auf vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung stellen.“ - „Werd‘ ick och machen, Herr Treuhänder!“ war und ist mein Gedanke beim Lesen dieser Mail von ihm. ;)

Liebe Leser, man kann also finanzielle Probleme lösen, wenn man bereit dafür und ernsthaft an einer Lösung interessiert ist. Mag sein dass ich Glück im Unglück hatte, auch mit meinem IV/TH. Aber selbst wenn es ein Stiesel gewesen wäre, hätte es an der Situation nichts geändert, außer der Lohnpfändung. Aber auch hier zeigt sich, dass Offenheit gegenüber dem Arbeitgeber nicht unbegdingt negative Folgen haben muss.

In diesem Sinne ein Hallo-sagender Gruß in die Forumrunde,

Monete, der sich in den letzten Jahren enorm geändert hat mit seinem Bezug und Denken über Geld und Konsum.

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